Samstag, 22. Februar 2014

Gideon ... und ich, Viertens


"Jimmy" der Rennfahrer und meine Schwester
Man müsse zuerst einmal die Aufmerksamkeit erregen, wenn man jemand etwas nahebringen wolle, was diese/n eigentlich gar nicht interessiert. Das soll ein Militär gesagt haben, der Lichtbildvorträge für Soldaten organisierte. Also zeigte er ihnen als erstes Bild ein Pinup-Girl und ging dann zur Sache. Das Bild oben kombiniert beides,  nur dass es nicht ums Rennfahren geht, sondern um Glaube und Gott und was ich davon halte. Und wie es dazu kam.

und ich
"Wie du warst, wie du bist, das weiß niemand, das ahnt keiner." Das steht zwar nicht in der Bibel, sondern am Anfang der Oper "Der Rosenkavalier", aber es beschreibt auf den Punkt gebracht mein "Gottesbild". Wobei dieser Ausdruck eigentlich gar nicht existieren dürfte wenn mann das 2. Gebot beachtet: Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen ... von dem was ist. (ER muss ganz schön getobt haben, als die Fotografie erfunden wurde! Das war ein Scherz!!) Also sage ich lieber Gottverständnis statt Gottesbild.
Das wirft die Frage auf, ob man GOTT verstehen kann und das hat die Doppelbedeutung Hören und Begreifen. Ich habe ihn gehört und langsam begriffen. Wie kam es dazu?
Ich lebte mit meinem "Freund" W. und dessen Mutter in einer Art Familien - Wohngemeinschaft zusammen. Das Haus seiner Schwester befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft, so dass seine Nichte A. (8) und die Neffen M. und M. (7 und 5) bei uns täglich ein und aus gingen. Ihre Eltern arbeiteten und die Oma betreute sie tagsüber. Es war ein harmonisches Miteinander, weil ich gut mit den Kindern zurecht kam und diese mich in ihr Leben als "Familienmitglied" integrierten. Sie hatten jetzt eben zwei Onkel statt einem, was sich auf ihre Geschenkebilanz positiv auswirkte. Ich hatte angefangen Münzen, Gold und Silber, zu sammeln und schenkte jedem Kind einmal zu Weihnachten einen Krüger Rand, der galt damals als gute Geldanlage ... 
Das ging einige Jahre gut, bis Geld "fehlte", Scheine, kein Kleingeld, und zwar immer dann, wenn einer der Neffen da gewesen war. Schließlich entschied ich mich, zur Polizei zu gehen, um Geldscheine "präparieren" zu lassen, so dass die Finger dessen der sie in die Hand nahm rot verfärbt wurden. Die Polizei ließ sich die Situation schildern und statt meinem Wunsch zu entsprechen, bestellte sie die Mutter und Kinder ein ... Danach war keine Harmonie mehr möglich. Ich blieb trotzdem bei meinem Freund wohnen, weil er mich darum bat, obwohl die Polizei mir riet doch einfach auszuziehen, als ich sie darauf aufmerksam machte, in welche schwierige Situation mich ihre unüberlegte Aktion gebracht hatte. Die Polizei: Dein Freund und Feind!
Diese Illustration stammt aus dem Begleitheftchen zu Axel Mantheys Stuttgarter Inszenierung von
"Ein Traumspiel" aus dem Jahr 1987
"Also ist die Zeit etwas, was entflieht, während ich spreche." doziert der Lehrer im "Traumspiel" vor seinen Schülern, woraufhin einer aufsteht und den oben illustrierten Satz sagt. 
Die Zeit floh und aus Kindern wurden Leute. Der ältere M. war inzwischen 18 Jahre alt und hatte sich durch Krafttraining zu einem imposanten "Kerl" entwickelt. 
Ich hatte ein eigenes Zimmer im ausgebauten Dachstuhl, das ich abschließen konnte, was ich auch immer tat. Das Sammeln von Münzen hatte ich aufgegeben, weil diese Sammlung ins Uferlose zu wachsen drohte. 
Als Alternative legte ich mir ein kleines Depot an geschliffenen Halbedelsteinen und Edelsteinen zu. Diese verwahrte ich in einem kleinen Lederkästchen zusammen mit diversem Schmuck, den ich wieder als Geldanlage kaufte. (Den trug ich allerdings auch.)
Mein "Edelstein" Depot
Darunter befanden sich, unter anderen, (siehe oben) ein ziemlich großer, gelbbrauner Rauchtopas, ein im Brillantschliff gearbeiteter Bergkristall und ein Aquamarin. Einige dieser Steine, inklusive eben diese drei, hatte ich in einem Aquarell meiner "blauen Periode" verewigt (an anderer Stelle im Blog besprochen). Ich füge das Bild hier noch einmal ein.
Das "Männchen" steht auf dem Rauchtopas, der Bergkristall liegt auf dem schwarzen Feld rechts daneben und der Aquamarin auf dem weißen Feld dahinter.
Die Mutter meines Freundes W. sagte einmal: "Man kann über ihn sagen was man will, aber sauber ist er." Mit "er" war ich gemeint. Ich bin nicht nur sauber sondern auch ordentlich. Mein Zimmer reinigte ich immer selber und auch dessen Vorplatz. Deshalb fiel mir eines Tages auf, dass auf dem Teppichboden vor meiner Tür Sägemehl verstreut war. Nicht viel, aber genug um mir aufzufallen, nachdem ich am Vortag erst Staub gesaugt hatte. W.s Mutter konnte sich nicht erklären, wie dieses Sägemehl dort hingelangt sein könnte. Sie war an diesem Tag nicht zuhause und auch erst kurz vor mir wieder zurück gekommen. 
Meine Aufmerksamkeit war geweckt und wurde schnell zu Misstrauen, nicht gegenüber der Mutter, auch noch nicht gegenüber einer anderen Person, sondern ganz allgemein. Ich schloss das Zimmer auf und bemerkte, dass die Abdeckung leicht wackelte. Das Schloss war manipuliert worden. Als erstes öffnete ich das Kästchen mit den Steinen, das als "Dekoration" auf einem Regal stand. Bei der Überschaubarkeit der Sammlung fiel mir das Fehlen der drei Steine natürlich sofort auf.
An der Haustür waren keine Einbruchspuren zu sehen. Alle Fenster waren intakt. Es musste jemand den "gut versteckten" Reserveschlüssel benutzt haben, um ins Haus zu gelangen. Wir hegten alle den gleichen Verdacht: Es kommt nur M. der Ältere in Betracht. Mein Freund kontrollierte seine Sparbücher, die in der unverschlossenen Schreibtischschublade lagen, eines davon ohne Passwort. Von diesem waren an dem Tag zwei Mal 100 D-Mark abgehoben worden. Was tun? Ein Dieb in der Familie. Niemand wollte mit dem Betreffenden reden ...
Am nächsten Tag ging ich zur Polizei um mich beraten zu lassen. Nachdem ich den Sachverhalt geschildert hatte, informierte mich der Beamte, dass es sich um eine Straftat handle, die zur Anzeige gebracht werden müsse. Ich zögerte. Er sagte, dann müsse er es anzeigen. Es gab keinen Weg zurück und so stellte ich Strafanzeige gegen "Unbekannt".
Was folgte war, dass die Polizei zu M. ging, dieser die Tat weit von sich wies und die Polizei es dabei beruhen ließ. Man werde der Sache nachgehen. Zwei Tage später fragte ich nach, ob die Steine vielleicht einem Juwelier angeboten worden wären. Man werde das überprüfen. Mir wurde klar, dass für die Polizei der "Fall" erledigt war. Also ging ich von Juwelier zu Juwelier und wurde schon beim zweiten fündig. Ja, es habe ein junger Mann die von mir beschriebenen Steine zur Schätzung und eventuellem Ankauf vorgelegt. Angekauft habe man sie nicht.
Als die Polizei M. mit diesem Wissen konfrontierte, sagte dieser: ja, er habe die Steine, den Topas und den Bergkristall habe er weggeworfen, weil die nichts wert seien und ich hätte sie ihm geschenkt, weil ich Sex mit ihm haben wollte. Der Beamte teilte mir das telefonisch mit, als ich bei der Arbeit war. Es traf mich wie ein Schlag vor den Kopf. Ich konnte mit Männern die jünger als ich waren nichts anfangen. (Inzwischen hat sich das geändert, aber es ist leicht, jünger als 75 zu sein.)
Der nächste Schlag traf mich so hart, das mir buchstäblich schwarz vor Augen wurde. Ich hätte es auch schon versucht als er noch ein Kind war und ihm eine Goldmünze geschenkt damit er nichts sage.
Ich fiel in eine Dunkelheit die unbeschreiblich ist, dunkler und tiefer als jeder Ozean. Ich stürzte in die Schwärze der Angst. Ich fiel in den Tod. 
Da fing mich eine Hand sanft auf und eine ruhige Stimme sagte: "Ich bin da."




















Ich fühlte die Hand und ich hörte die Stimme. Und ich wurde ruhig.
Mein Chef gab mir frei und ich ging zu Fuß nach hause. Unterwegs dachte ich über alles nach und mir wurde klar, dass ER, an den ich nicht glaubte, mich aufgefangen und mir SEINEN Namen genannt hatte. 
Jetzt war ich gezwungen an IHN zu glauben.
In der Folgezeit trat ich wieder in die Kirche ein, weil ich dachte, das wäre das einzig Richtige. Aber ER ist nicht Kirche und nicht Religion, das sind Menschen. 
Ohne Wunder, dachte ich, werde ich meine Unschuld nicht beweisen können. Es stand mein Wort gegen das andere. Außer mir weiß nur Gott was wahr ist, dachte ich, und nur er kann die Wahrheit an den Tag bringen. Ich nahm an einer Pilgerschaft nach Lourdes teil, weil man dort Wunder erwarten konnte. So intensiv wie in jener Zeit hatte ich nie zuvor gebetet. Mir fiel "Die Feuerprobe" ein und die Macht der Gnade Gottes. Vor der Grotte kniend betete ich um ein Zeichen und wenn es noch so gering sei. Als ein einzelnes Efeublatt von dem wuchernden Bewuchs her direkt auf mich zusegelte und vor mir auf die Erde fiel, nahm ich dieses Zeichen dankbar an. Ob man das Glück, Zufall oder Wunder nennt ist unwichtig. Das Ereignis zählt, nicht sein Name. Das Blatt habe ich immer noch. 

Es kam zu zwei Verhandlungen, bei denen M. noch versuchte mir das Abbuchen vom Sparbuch meines Freundes anzuhängen, aber er wurde von der Kassiererin erkannt. Weder mein Freund noch ich wollten, dass er "bestraft" wird. Das Gericht ließ Milde vor Recht walten und M. galt als nicht vorbestraft. Der Richter sagte, M. solle uns dafür dankbar sein. Ich bekam den Aquamarin zurück und spendete ihn der Kirche.
Danach las ich viel in der Bibel, ich wollte mehr über IHN wissen. Dabei stieß ich dann auf die Stelle, an der Moses IHN fragt, was er dem Volk sagen soll, wenn es ihn nach SEINEM Namen fragt und ER antwortet, sinngemäß: "Sage ihnen: ich bin der ICH BIN DA." Da bekam ich Gänsehaut!
Und was hat Gideon damit zu tun? Eigentlich kannte ich seine Geschichte nur durch das gleichnamige Theaterstück von Paddy Chayefsky, das ich sehr witzig fand, eben weil hier ein Mensch wagt, Gott anzuzweifeln und dieser ihm trotzdem hilft. 
Mir war schon klar, dass mich meine Homosexualität in diese Lage gebracht hatte und "haderte mit Gott" deshalb. Schließlich bat ich IHN um ein Zeichen, wenn Homosexualität für mich nicht "das Richtige" wäre. Eine bescheuerte Frage, ich weiß, aber ich befand mich in seelischem Konflikt mit meiner Natur. Und eigentlich bestand die Chance, dass ich eine positive Antwort bekommen würde. Es war in der Zeit, als ich mit Aki und Joisi, (siehe das entsprechende Kapitel) den Dioskuren, "verkehrte". Aki brauchte immer Geld und ich gab ihm immer etwas, wenn ich ihn sah, was zum Glück selten war. Am Tag an dem ich die Frage stellte, war ich mit ihm verabredet. Er war sehr zuverlässig und kam jedes Mal, wenn wir es vereinbart hatten. Also dachte ich, dass ich auf der sicheren Seite bin, wenn ich das Ja oder Nein von seinem Erscheinen abhängig mache. Als Zusatzabsicherung sollte ich ihn danach nie wieder sehen, sollte die Antwort Nein sein. Homosexualität ist gut für mich wenn er kommt, nicht, wenn er nicht kommt. Er kam nicht. Und ich sah ihn nie wieder. Habe ich deshalb mein Leben geändert? Versucht habe ich es. Vergebens. Wahrscheinlich habe ich mich "verhuret" wie das in der Bibel heißt.
Ich weiß, das alles ist banal, aber ich glaube an GOTT. Das will ich damit sagen.


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