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| Aus dem Programmbüchlein "Ein Traumspiel" |
Es reicht nicht, motiviert zu sein, es sei denn, der Wille etwas zu tun steht dahinter. Und dieser Wille muss sich durchsetzen, muss zur Tat werden. So betrachtet vergeht mir dann die Lust und ich sitze vor der Tastatur und starre sie an und frage mich ob es sich lohnt, diese Buchstaben anzutippen, diesem Wirrwarr an Zeichen einen Sinn zu geben. Und das hier ist dann das Resultat. Deprimierend!
Barbara
In dieser Novelle geht es um Ehebruch und Gottesurteil. Mich fasziniert nur das zweite. Das siebte Gebot hat ja nur noch symbolische Bedeutung, genau so wie das sechste (nach evangelischer Zählweise). Wenn mich nicht alles täuscht, sollen, laut Bibel, Ehebrecher/innen zu Tode gesteinigt werden. Da führen sich dann Gebote und Strafe ad absurdum.
Aber es geht ja auch nicht um Ehebruch sondern um das, in der Novelle, von der Ehefrau geforderte Gottesurteil.
"In jenen zwistigen Zeiten ..." beginnt Werner Bergengruen seine Erzählung und schafft es in nur einem Absatz die Situation klar darzustellen, ohne irgendwo zu präzisieren worum es geht. Nur der letzte Satz lässt den Leser vermuten, dass es Ehebruch sein könnte. Ich zitiere: ... "Tidemann Gripen endlich wurde auf der Straße von einem Vetter beiseite genommen: Es seien da ärgerliche Gerüchte, er könne sie nicht prüfen, aber er sei wohl verpflichtet, seinen Verwandten auf sie hinzuweisen." Und gleich im zweiten, ganz kurzen Absatz heißt es dann: "Tidemann Gripen ging nach Hause, um seine Frau zur Rede zu stellen. Als er sich vom Vetter trennte, ärgerte er sich noch über eine törichte Klatscherei, als er vor seiner Haustür stand, glaubte er seine Schande und Barbaras Schuld erwiesen."
Ich brauche hier nicht Werbung zu machen für die Novelle. Wer einmal zu lesen angefangen hat, wird sie nicht mehr aus der Hand legen. Der erzählerische Sog und die Bilder die sich aus den Worten ergeben sind so plastisch, dass der Lesende zum Teilhabenden wird.
Dass das häusliche Glück und die eheliche Harmonie von dem Augenblick an gestört sind, in dem Gripen seiner Frau Ehebruch vorwirft, leuchtet ein, obwohl Barbara jegliche Schuld von sich weist. Es sind die Gerüchte die in der Stadt kursieren, (" ... jeder kannte das Gerücht. Und in diesen verrückenden Zeiten hatte alles Gerücht über die Seelen der Menschen seine Gewalt.") die Blicke hinter seinem Rücken, die er vermutet, und schließlich die Nachricht vom Tod des Mannes der angeblich mit Barbara die Ehe gebrochen hatte, wodurch es unmöglich wird diesen zur Rede zu stellen, bringen ihn dazu von seiner Frau zu verlangen: "Trage das Eisen."
Das heißt: Stelle Dich dem Gottesurteil. Dieses besteht darin, dass der oder die eines Verbrechens Beschuldigte, das nicht anderweitig bewiesen werden kann, in der Sakristei, vor der in der Kirche versammelten Bevölkerung, ein glühendes Stück Eisen für eine bestimmte Zeit in der bloßen Hand halten können muss, ohne dass diese dabei verletzt wird.
Die Bürger von Riga, vornehme und geringe, hatten das Privileg, dass sie zu keiner Probe wie auch zu keinem gerichtlichen Zweikampf gezwungen werden konnten.
Barbara versucht sich auf dieses Privileg zu berufen. Gripen sagt ihr klipp und klar, dass er Klage auf Ehebruch erheben wird. Sie versucht noch ihm klar zu machen, dass man ihn für verrückt halten wird. Er kontert, dass sie die Probe fürchte weil sie schuldig ist.
"Wo das Gesetz die Probe verlangt, da mag sie zu leisten sein. Sich ihr ungezwungen unterziehen, wäre eine Herausforderung Gottes. Es ist Gottes Vorrecht, die Menschen zu versuchen. Aber dem Menschen ist es nicht erlaubt, ihm mit Gleichem zu begegnen."
"Weigere dich nicht, Barbara. Ich werde Dir ein Leben machen, das dir nicht gefallen wird."
"Und du glaubst, wenn ich die Probe bestanden hätte, ich würde nachher mit dir leben können wie früher?"
"Kannst du es denn jetzt?" fragte er leise und blieb ohne Erwiderung.
Barbara bleibt schließlich keine andere Wahl, sie muss sich der Probe stellen. Sie zieht sich vor dem anberaumten Termin in ein Kloster zurück, um sich seelisch darauf vorzubereiten. Sie geht zur Beichte und tut die ihr auferlegte Buße. Von da an verließ sie ihre Zelle nicht mehr, sprach auch mit niemandem ein Wort, um den erlangten Gnadenstand nicht zu gefährden, selbst nicht durch läßliche Sünde. In der Frühe des Sonntagmorgens genoß sie das Sakrament.
Die Kirche ist stärker besucht als sonst und als das Hochamt beendet ist wird das Gedränge immer größer. In den Gassen um St. Peter standen die Leute gepreßt, Stadtbürger, Dienstvolk, undeutsche Bauern aus der Umgegend ... Schaulustige sagt man heute dazu. Die Probe findet statt. Und Barbara besteht sie.
Obwohl ihre Schuld bis zu diesem Zeitpunkt in der Erzählung, und auch noch danach, nie bestätigt wird, hält sie der Leser von Anfang an für schuldig, ohne es begründen zu können. Es ist die subtile Kunst des Autors dies zu suggerieren. Als es schließlich keinen Zweifel an ihrer Schuld mehr gibt, der totgeglaubte Mitschuldige, Schwenkhusen, ist aus dem Krieg zurückgekehrt, fragt dieser sie, welche Salben oder welche Zauberei sie angewendet habe, um unverletzt zu bleiben. Und sie erklärt es ihm. Keine Salbe, kein Zauber sondern ihr Glaube hat es bewirkt.
(Glaube. Ich hatte keinen mehr, wenn man sich erinnert.)
Schwenkhusens Glaube ist ein höflicher gewesen. Aber Barbaras Glaube ist der Glaube der staken und kühnen Seele gewesen, der die Himmelsgeheimnisse zu stürmen vermag.
Es ist gesagt, daß Reue und Vorsatz, Beicht und Losspruch die Sünde hinwegnehmen. ... Darum ist keine Sünde mehr an ihr gewesen, als sie zur Probe ging. Gott hatte sie von ihr nehmen müssen um seiner eigenen Wahrheit und Verheißung willen, ... Und weil sie diesen Glauben hatte, der Berge verrücken, der das Blutrote schneeweiß machen kann, das Kalte glühend und das Glühende kalt ... ... Sie hat Gott gezwungen in seinem eigenen Gesetz. ...
So weit also "Die Feuerprobe". Wer wissen möchte wie das endet, dem empfehle ich die Lektüre. Es sind 23 Seiten bis zu der zuletzt zitierten Stelle und noch 22 bis zum Schluss. Es lohnt sich!
Und wieder muss ich eine Pause einschieben.

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