Montag, 14. Oktober 2013

Ist Näher Weiter?


Je näher ich der Abreise komme, desto weiter entferne ich mich in meinen Erinnerungen. Als ich anfing den Roman `Abschied von Aschenbach´ zu realisieren, also, bevor ich etwas niederschrieb, erkundete ich den Hintergrund, auf den T. Mann seine Novelle `Tod in Venedig´ aufbaute.
Da war dieser mysteriöse `Fremde´ am Münchener Nördlichen Friedhof ...

Die "beiden apokalyptischen Tiere" gibt es nicht mehr ... vielmehr gab es, als ich dort war, nicht. Das Foto ist ja inzwischen auch schon 35 Jahre alt





"... als er, (Aschenbach) aus seinen Träumen zurückkehrend, im Portikus, oberhalb der beiden apokalyptischen Tiere, welche die Freitreppe bewachen, einen Mann bemerkte, dessen nicht ganz gewöhnliche Erscheinung ...
Ich nahm also eines Tages, obwohl es meinem Arbeitgeber ungelegen kam, weil die Auftragslage in der Druckerei, in der ich damals erst seit Kurzem arbeitete, und die sich in prekärer Finanzlage befand, zu derer  ... der Leser weiß was ich meine, T. Mann schrieb langatmig. 
Ich fuhr nach München zum Nordfriedhof. Ich suchte die Zeit und Atmosphäre des Autors T. Mann und fand nur eine fade Fassade und dahinter einen ganz gewöhnlichen Friedhof. Schon groß, aber inzwischen sind alle Friedhöfe größer geworden ... Ich erinnere mich nur noch an die in der linken, von innen gesehen, Vorhalle in Schräglage in ihren Särgen zur Schau gestellten Leichname, alles Männer in ihren Sonntagsanzügen, und an einen ungefähr zehnjährigen Buben, der aus den Gräberreihen gelaufen kam, einen nicht mehr ganz frischen Grabschmuck über seinem Kopf schwenkend, aus dem die roten Blütenblätter wie ein Strom von Blutstropfen hinter ihm zur Erde fielen. Ich war erschüttert. Na ja, ich wollte erschüttert sein, schließlich befand ich mich auf den, wenn auch nur literarischen, Spuren von T. Mann!
"Mäßig hoch gewachsen, mager, bartlos und auffallend stumpfnäsig, gehörte der Mann zum rothaarigen Typ und besaß dessen milchige und sommersprossige Haut."
Natürlich versuchte ich damals "etwas Ähnliches" zu sehen, quasi einen fremdländisch wirkenden Rothaarigen, der `den linken Unterarm in die Weiche stützte und in der Rechten einen Stock mit einer eisernen Spitze´ ... Aber da war nichts Derartiges, auch nichts andersartig Bemerkenswertes. Nur der Eingang zum Nordfriedhof und die Kälte, es war Oktober. Und die Straßenbahn, die ich zurück zum Bahnhof nahm. 
Trotzdem sammelte ich meinen literarischen Ehrgeiz um dies Wenige und fing an zu schreiben.


Der verwaiste Portikus ...
Mein Protagonist hieß Fridolin Asche, Schriftsteller mit zwar wenig, aber doch mit Erfolg. Zufällig war er gerade vierzig Jahre alt geworden, wie ich, und befand sich in einer Schreibkrise, ganz im Gegenteil zu mir. Ich schrieb in jeder freien Minute, kritzelte Gedanken oder Dialoge auf jedes sich bietende Papier, meistens waren es die unbedruckten Innentitel von Taschenbüchern, die ich zu Dutzenden im Monat las. Meistens Krimis. Krimis sind immer gut recherchiert, zeichnen präzise psychologische und soziale Umfelde, müssen logisch sein und sind nicht langweilig, wie das Meiste der `großen Literatur´. T. Mann nicht ausgenommen. Aber Stil, also Sprache, entwickelt sich ja mit der Zeit und man kann Bücher der Vergangenheit nicht mit denen der Gegenwart vergleichen. Sprachlich meine ich. Z. B.:
"Wohl möglich, dass (Damals schrieb man das dass noch mit ß, andere Wörter auch, aber ich beuge mich der neuen Rechtschreibung.) Aschenbach es bei seiner halb zerstreuten, halb inquisitiven Musterung des Fremden an Rücksicht hatte fehlen lassen; denn plötzlich ward er gewahr, dass jener seinen Blick erwiderte und zwar so kriegerisch, so gerade ins Auge hinein, so offenkundig gesonnen, die Sache aufs Äußerste zu treiben und den Blick des andern zum Abzug zu zwingen, dass Aschenbach, peinlich berührt, sich abwandte und einen Gang die Zäune entlang begann, mit dem beiläufigen Entschluss, des Menschen nicht weiter achtzuhaben. Er hatte ihn in der nächsten Minute vergessen."
Es ist durch Studien erwiesen, dass der Durchschnittsdeutsche heutzutage solche Sätze kaum lesen, geschweige denn verstehen kann. Ob das gut ist oder nicht und welche Bedeutung das für die Zukunft "Der Deutschen" hat, kann ich nicht beurteilen. Mir macht Schreiben Spaß, in nicht unbedingt einfachem Deutsch, aber in einer verständlichen Sprache. In diesem Sinne begann ich also meinen Roman zu schreiben, T. Mann als Vorbild und manchmal, wenn es mir angebracht schien, als Schablone. Ich komponierte Sätze mit mehr Kommas als Buchstaben! Zumindest kam es mir manchmal so vor.
Und das habe ich in den Papierkorb geschmissen! Es war bestimmt zum Totlachen!!!

PS. Inzwischen ist der Roman ja per Zufall wieder aufgetaucht. 
Der Prolog hebt folgendermaßen an:
Fridolin betrat den Aufzug des Campanile kurz vor den Schließen. ...

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