Donnerstag, 26. März 2015

Gestern


Ein Wort das "Vergangenheit" bedeutet. Gestern. Ein Tag. Aber es gibt so viele Gestern und manche wiederholen sich, wie Träume, die man nicht los wird. "Und täglich grüßt das Murmeltier". Man kann es dann "Déjà-vu" nennen, oder glauben, dass man schon einmal gelebt hat. Die Angst davor, dass dem so ist, zwingt uns dazu, Gestern als Vergangenheit zu akzeptieren.
Gestern traf ich ganz unerwartet auf einen "alten Bekannten". Er ist wohnsitzlos und "haust" seit  einigen Jahren in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt in Heslach. Sein gesamter "Besitz" stapelt sich manchmal meterhoch an der naheliegenden Kirchenwand, bis der von der Stadt entsorgt wird, und er sich genötigt sieht, Neues zu akkumulieren. Ein Teufelskreis, oder, wie der Erzähler in dem Film Dingaka es formuliert, als er das Leben der "Schwarzen" in Johannesburg erlebt hat: "What a hell of a way to make a living."




































In diesem Film kommt übrigens eines der schönsten Lullaby's (Wiegenlieder) vor das ich je gehört habe ... "Tula baba" ...


Aber ich schweife ab.
Normalerweise, überhaupt in der kalten Jahreszeit, hält er sich nicht weit von seinem "Wohnsitz" auf, hat seinen Schlafsack im Pissoir-Raum ausgebreitet und das Radio, Deutsche Schlager (Heino), voll aufgedreht. Wenn man die Lokalität benutzen möchte lächelt er sein Zwei-Zähne-unten Lächeln und geht nach draußen ... wenn es nicht zu kalt ist. Zu Weihnachten hatte er letztes Jahr sogar eine Art Kreuz aus zwei Tannen-zweig-reisern gebastelt und noch etwas Tannengrün in die Ecke über dem Schlafsack geklemmt.


 ... Es fehlt ihm nicht an Häuslichkeit! Er könnte also durchaus eine Bleibe in einer "Sozialen Einrichtung" finden, wenn er nicht zu sozialindividualistisch wäre. Er passt nicht!
Gestern war er im Hauptbahnhof.
Mit einem "Kumpel", zumindest einem "vorübergehend Bekannten", nahm ich an.





























Der im Hintergrund ist mein "Gestern"-Freund. Es verbindet mich nichts mit ihm, außer dass ich ihm manchmal begegne. Manchmal, wenn ich gut aufgelegt bin, oder auch einfach so, gebe ich ihm ein paar Euro und ermahne ihn, das Geld nicht zu versaufen. Wozu ist man wohltätig? Doch nur um dem Wohltätigkeit Empfangenden zu sagen: "Du bist Scheiße!"
Eigentlich saßen die zwei ganz friedlich im Warteraum, der nur für Reisende mit gültiger Fahrkarte vorbehalten ist, und stierten in die Gegend. Wenn da nicht die "Konkurrenz" gewesen wäre. Eine etwas gehobenere Gruppe von Wohnsitzlosen, die sich immer auf den Stühlen des dem Warteraum gegenüberliegenden Lokals versammelt, und dort mitgebrachtes Flaschenbier und irgendwo, irgendwie "organisierte" Lebensmittel konsumiert.
"Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." (Schiller?)
Auf jeden Fall brachte die "Gegenseite", nachdem sie die "Konkurrenz" massiv gewarnt und, mit ausgestrecktem Zeigefinger, bedroht hatte, den Joker ins Spiel, die Polizei.



























Die greift zwar ungern ein.
So lange kein "Vergehen", keine Straftat vorliegt, kann/darf sie nicht einschreiten.
Angesichts vieler Science Fiction Filme, die die Vereitelung von Straftaten mit rigorosen Eingriffen in die menschliche Existenz aufzeigen, bin ich mit der hier angewandten Praktik völlig einverstanden.



























Man wandte sich der "Beschwerde" zu. ...



























... Während der Beschwerdeführer einem anderen Gast, der auch keinen gültigen Fahrschein hatte, zusicherte, dass er nicht bedroht oder in irgend einer Weise betroffen sei.



























Was diesen beruhigte. ...

Inzwischen wurde aber mein "Nachbar" aus Heslach gebeten, die Premise zu verlassen, was er auch ohne tätlichen Protest tat.
Was immer die Münder aller Besoffenen von sich gegeben haben, wäre Literatur genug, um das Genre "überflüssig" zu machen!
Nachdem es den Beamten aber nicht gelang, meinen "Freund" dazu zu bewegen, die heilige Bahnhofshalle zu verlassen, sah ich mich genötigt ihm beizustehen. Ich grinste freundlich, gab ihm 5 Euro und sagte: "Was machst Du denn auch so weit ab von Heslach?"
"Aha." antwortete er und sah mich an.
Er hat mich tatsächlich erkannt!
Jetzt versuchte er sich auf der Bank vor dem Warteraum zu setzten.
"Da brauchen Sie erst gar nicht versuchen sich hinzusetzen." sagte der gutaussehende Polizist, dessen Kollegin einen langen, schön geflochtenen Zopf hatte. ...
Ich lotste den Mann aus Heslach, der Gott-weiß-woher kommen mag, zur Fahrtreppe am Südhaupteingang.
"Du bist doch hoffentlich kein Pfarrer oder so ein Spinner." sagte er.
Kein Spinner? Na ja.
"Nein." antwortete ich und ging einfach weiter zur U-Haltestelle.
Als ich mich umsah, war niemand mehr da.
`Auch recht.´ dachte ich. Wer weiß wo wir uns morgen begegnen.
Und das war dann schon wieder gestern. ...



















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