Donnerstag, 16. Mai 2013

Das sechste Kapitel tritt quasi auf der Stelle

Royal Wings Hotel
Weiterhin 25. Februar 2013
Neunundvierzig Tage ungebremster Luxus, all inclusive, liegen vor mir. Wo und wann fange ich an das zu genießen? Zieh ich mir gleich den labbrichen Jogginganzug an, in dem ich vorhabe tagtäglich von Morgens bis Mitternacht im Hotel herumzuhängen? Oder setze ich mich erst mal an die Bar und verklickere dem Personal dort was ich trinke und dass ich auf zack-zack Bedienung stehe? Ich könnte auch den vom Hotel gestellten Bademantel anziehen und im Wellnesbereich die Sauberkeit dort überprüfen und denen klar machen was deutsche Hygienestandards sind. Irgendwie muss ich mich doch als Normaltourist zu erkennen geben ... 
Ach so, das bin ich ja gar nicht. Ich bin ja freiwillig hier, nicht weil mir irgend jemand gesagt hat: Jetzt ist Urlaub. Ab in die Türkei. Oder auf die Osterinseln. Oder ins Allgäu. Oder auf den Balkon ... hab ich keinen. Mir hat kein Reisebüro, on- oder offline, ein tolles Angebot ausgearbeitet. Das hier habe ich mir alles selber eingebrockt, inklusive Her- und Rückflug. Das heißt auf alle Fälle: meckern gibt es nicht! Ich kann mich ja nicht vorsätzlich in einen Ameisenhaufen setzen und dann "Aua! Aua!" schreien. Können könnte ich schon, aber was würde das über meinen Geisteszustand aussagen? 
"Relax and take it esay." sage ich mir also auf gut schwäbisch und packe meinen Koffer aus. Sofort merke ich, dass ich viel zu viel dabei habe. Eine ganze Schublade voll Unterwäsche und Socken! Woher habe ich die überhaupt? Das ist doch totes Kapital!? Mehr als eins von jedem kann man doch gar nicht auf einmal anziehen, außer bei den Socken. Der Rest liegt entweder in der Schmutzwäsche oder im Schrank und ist nutzlos. Würde ich so mein Geld anlegen? ... Bevor ich einen depressiven Schub bekomme schließe ich die Schublade und wende mich den Hemden und Hosen zu. Eine knallrote Hose! Habe ich die gekauft? Nur weil die Verkaufsperson sagte: "Wenn man etwas mutiger ist ..." Ich konnte die Pünktchen förmlich sehen, wie sie in meine Richtung hüpften und mir einredeten dass ich der "etwas Mutige" bin. Jetzt, als ich die Hose in den Schrank hänge, komme ich mir als der nicht nur etwas sondern total Bescheuerte vor ... Halt, Halt, Halt! Nicht meckern! Das gilt nicht nur für das Drumherum, sondern auch für das Innendrinnen! Den Rest packe ich aus, ohne irgendetwas mit besonderer Beachtung zu bedenken. Na gut, da sind die knallroten Schuhe, passend zu der Hose und dem knallroten Hemd ... Man wird denken, ich wäre die Feuerwehr, wenn ich die Teile trage, denke ich ... Dann sind da die sieben paar Hosenträger, in allen möglichen Farben und Breiten. Eins sogar aus braunem Leder. Man wird mich als Hosenträgerfetischist einstufen! (Nicht ganz zu Unrecht. Ich trage keine Gürtel, wegen des Gefühls damit die untere Körperhälfte von der Blutzirkulation abzuschneiden. Das ist sehr ungesund. Außerdem hat die Hosenträgerbranche in den letzten Jahren ganz unauffällig aber stetig, ein fantastisches Sortiment dieses männlichsten aller Accessoirs auf den Markt gebracht. Sehr zu meiner Freude!)  Relax also, wen juckts? In sieben Wochen ist alles vorbei!
In sieben Wochen ist alles schon vorbei? Das ist ja furchtbar! Ich verplempere hier kostbare Stunden mit Auspacken und über Klamotten meditieren, während dort draussen der Wind in den Palmen und Mimosen säuselt, die Sonne vom stahlblauen Himmel lacht und das Meer seine Wellen wie ein pochender Herzschlag auf den Strand wirft!! Mit diesen poetischen Gedanken beschäftigt, ziehe ich meine neue, noch nie getragene Badehose an und breche auf ans Meer. Vorher werfe ich noch einen kurzen Blick in den Spiegel und sage: "Stopp. Wie sieht das denn aus?" Trotz 15 Kilo weniger, oder vielleicht auch deswegen, hat sich dort ein Wulst gebildet, wo man die Gürtellinie ansiedelt. Und dieser Wulst hängt, wie ein buchstäblicher Rettungsring rundherum über den Badehosenbund. Und jetzt? Ein nicht zu körpernahes T-shirt drüber. Man sieht den Wulst trotzdem, eher noch betont. Unmöglich!
So kommt es, dass ich wieder die Jeans und das Hemd anziehe, die ich auf der Reise trug und in die Halle hinunter gehe. Ich gehe, wohlgemerkt, zu Fuß, vom 8. Stock hinunter und später auch wieder hinauf. Jedes Mal, jeden Tag. Das gehört zu meinem "Trainingsplan", mein Gewicht zu halten. 75 Kilo, eher weniger. Und das im kulinarischen Paradies Royal Wings! Um das zu schaffen reichen nicht nur gute Vorsätze wie: Nur ein Omelett zum Frühstück und dazu höchstens drei von diesen himmlischen, in schwimmendem Fett ausgebackenen Frischkäseröllchen und nur eine kleine Schale mit diversen Kompottfrüchten in dickem Zuckersirup, aber mindestens vier Feigen ... Nein, dazu braucht es einen eisernen Willen und starken Charakter. Und das im Urlaub? Das kann ja heiter werden!



Keine Kommentare: