"Reiten, reiten, reiten, ..."
Aus irgend einem nicht nachvollziehbaren Grund, die Gedanken sind nun einmal frei, geht mir heute der Anfang der "Weise von Liebe und Tod des Christoph Rilke" von R. M. Rilke ständig durch den Kopf wie ein sich wiederholendes Gebet. Nur dass es bei mir: "Gehen, gehen, gehen, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Gehen, gehen, gehen." heißt. Und das aus gutem Grund!
Am Montag Abend, heute ist Samstag, kurz vor 20:00 Uhr, wurde mein linkes Bein von einem Augenblick zum nächsten taub. Und dann schwer wie ein im Boden verwurzeltes Gewächs. Dazu kam ein ausgeprägtes Schwindelgefühl. Ich hinkte einige Male schwankend im Zimmer hin und her, in der Hoffnung dass es sich normalisieren würde. Das tat es nicht!
`Wieder ein Schlaganfall!´ dachte ich.
Genau so hatte sich das selbe Bein im letzten Januar angefühlt, als ich den Schlaganfall dann bestätigt bekam. Also packte ich meinen Schlafanzug und meine Zahnbürste in den Rucksack und hinkte ins Marienhospital, das nur ca. 10 Gehminuten von meiner Wohnung entfernt ist. Es wurden ca. 15 Hinkminuten. (Ich vergaß natürlich wieder Handtuch, Duschgel und Badeschlappen.)
Am Schalter der Notaufnahme meldete ich mich mit: "Ich glaube, ich hatte einen Schlaganfall."
Ab dann war alles Routine. Das Warten. Die Blutabnahme. Das EKG. Das Warten. Die Ärztin. Das Warten. Endlich das CT. Um 1:30 Uhr kam ich auf die Schlaganfall Station und wurde verkabelt zur 24 Stunden Überwachung. Das kannte ich nicht vom Vorjahr, da kam ich gleich auf die Neurologie Station.
Es war keine Nacht zum Schlafen. Vier Männer an vier Monitoren, die ständig Impulse zum Aufpumpen der Arm-Manschette zur Blutdruckmessung aussenden, sind keine ruhigen Bettgenossen! Vom Schnarchen und andere Geräusche von sich geben einmal abgesehen, musste mein Bettnachbar drei Mal auf den "Nachtstuhl", bis es ihm beim vierten Mal gelang ein Resultat zu erreichen, das zumindest olfaktorisch beachtlich war! Und währenddessen, also in der Zeit zwischen 1:00 und 4:00 Uhr, musste sich der Mann im Bett gegenüber des öfteren übergeben, was nicht geräuschlos vor sich ging. Es war ihm auch noch den ganzen folgenden Tag übel.
Irgendwann hört man auf sich der Situation bewusst zu sein und dämmert im Wachschlaf dahin.
Am Dienstag Abend, noch vor Ablauf der 24 Stunden, wurde ich auf die "Normalstation" verlegt. Man brauchte das Bett für nachrückende Patienten. Schlaganfall scheint "in" zu sein!
Ich überspringe nun die darauf folgenden Tage, die erfüllt waren von Untersuchungen und Warten. Und unruhigen Nächten! (Das Essen war übrigens nicht so versalzen wie im Vorjahr!) Eine Untersuchung bleibt mir immer im Gedächtnis, weil mir dazu vier Nadeln in den Kopf und jeweils drei Nadeln in diverse Teile meiner Füße gesteckt wurden. Wer meine Nadelphobie kennt, ahnt was ich dabei durchmachte. Übrigens wurde dabei mit Strom die jeweilige Nervenbahn gemessen. Die Elektroschläge empfand ich als ganz angenehm und ich scherzte mit der netten weiblichen Untersuchungsperson, dass man darüber zwar wahrscheinlich keine Witze machen sollte, ich aber vielleicht sogar auf dem Elektrischen Stuhl Spaß hätte. Es stellte sich dann heraus, dass einige Nerven in meinen Füßen nicht mehr funktionsfähig sind, weshalb ich eventuel eine Gehunsicherheit haben könnte. (Die Formulierungen waren schwammiger als das Gefühl in meinen Beinen!) Aber das sei altersbedingt und dagegen könne man nichts machen.
Einmal kam der Chefarzt mit zur Visite. Die Stationsärztin schilderte ihm in knappen Worten den Grund meiner Anwesenheit und der Herr Professor meinte wohlwollend: "Alles richtig gemacht. Gut so." Da fühlte ich mich gleich viel besser!
Die gute Nachricht war schlussendlich, dass ich keinen Schlaganfall erlitten hatte. Den Zustand meines linken Beines und das ständige Schwindelgefühl konnte man sich nicht erklären. Dafür gab es keine medizinische Befunde. Ich solle mir vom Hausarzt Krankengymnastik verschreiben lassen und ich dürfe auf keinen Fall für vier Wochen Auto fahren! Nachdem ich nicht einmal einen Führerschein habe, ist das mein kleinstes Problem! So wurde ich dann am Freitag Nachmittag, gestern, entlassen. Und jetzt muss ich "gehen, gehen, gehen, durch den Tag ..." um es wieder richtig zu können.
Bei Rilke heißt es dann weiter "Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß."
So weit bin ich noch nicht.
Übrigens hatte ich in der vergangenen Nacht einen Traum in dem ich zwei Mal zu irgend Jemand "Arschloch" sagte. Was das wohl zu bedeuten hat?
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