Dienstag, 23. Juli 2013

Im 18. Kapitel mache ich einen Ausflug zu den Wasserfällen

AliAli, der beste Kellner der Welt und der netteste Mensch den ich kenne, ist inzwischen ein guter Freund geworden. Ich bin nicht mehr "nur" Hotelgast, ich bin "sein" Gast. Wenn es jemand versteht Gastfreundschaft zu vermitteln, dann ist er es. Er teilt seine Freude an seiner Familie mit mir und seinen Kummer, wenn etwas nicht so "rund" läuft wie er es sich wünscht, wenn seine kleine Tochter krank wird, zum Beispiel, und er sie nicht ins Krankenhaus begleiten kann, weil er arbeiten muss. ... Wie viele junge Männer in der Türkei, die eine Familie gegründet haben, ist er der Alleinverdiener und von dem Verdienten bleibt nicht viel übrig, nachdem der tägliche Bedarf und der Kredit für die Wohnung abgezogen sind. Er arbeitet sechs Tage in der Woche, durchschnittlich 10 Stunden am Tag, Früh- oder Spätschicht, viele, unbezahlte, Überstunden. ... Und er ließ es sich nicht nehmen, an einem seiner freien Tage, mich zu einem Ausflug an die Wasserfälle Antalyas einzuladen!



Dafür mietete er ein Auto beim Rent-a-car Service im Hotel und wir vereinbarten 10 Uhr 30 als Abfahrtszeit. Nur bei der Frage nach dem Treffpunkt gab es ein kleines Verständigungsproblem. Er sagte, er würde mich bei "der Schisserheit" abholen. Schisserheit? Ich konnte damit nichts anfangen. Auch nach mehrmaliger Wiederholung nicht. "Egal, dann bei großem Einkaufcenter über Straße." Das kannte ich, war ja nicht zu übersehen, mit den zwei goldenen Kuppeln, die wie geharnischte Brüste in den, meist, blauen Himmel ragen.



Hier habe ich, als ich angefangen hatte das Fitness Center im Hotel regelmäßig zu besuchen, einen "echt getürkten" Nike Jogging Anzug gekauft. Für, ich schäme mich es zuzugeben, sage und schreibe: Fünfzig €uro!!! Einen Tag später sah ich das selbe Modell, allerdings in Feuerwehr-Rot, in einer Boutique nur einen Block die Straße hinunter, für Zwölf €uro! Wäre meine Frisur keine Naturglatze, hätte ich mir die Haare gerauft! (Das war Anfang März, die Mall war öd und leer, ich der einzige und anscheinend der erste Kunde, der etwas kaufte und dann auch noch zu einem so hohen Preis. Kein Wunder also, dass der Verkäufer meinen Fünfziger auf den Boden warf und darauf trat. "Das bringt Glück für den Rest der Saison." sagte er und strahlte. Na gut, dachte ich, Jemand glücklich machen ist eine gute Tat. Es geht allerdings auch billiger ... Übrigens gab er mir noch einen Packen Werbe-Visitenkarten mit, die ich im Hotel verteilen sollte. Auch dass ich den Jogging Anzug dort gekauft hätte, solle ich erwähnen. Allerdings wäre es ihm lieber, wenn ich nicht sagen würde, wieviel ich dafür bezahlt  habe. Ich habe  es niemand gesagt. Seine Kärtchen habe ich entsorgt.)

Vor dieser "Shopping Mall" sollte ich also um 10 Uhr 30 warten. Man hätte die Atomuhr nach ihm stellen können, so pünktlich fuhr AliAli vor! (Einige Tage, es können auch ein paar Wochen später gewesen sein, fiel das Wort "Schisserheit" wieder von Alis Lippen und diesmal wollte ich dann doch wissen, was er damit meinte. Er wiederholte es  mehrmals, sprach es deutlich aus, es half nichts, ich sah ihn nur ratlos an. 
"Uniform", sagte er schließlich und "Englisch `Security´."
Da fiel es mir die Schuppen aus dem Hirn. "Du meinst `Sicherheit´." 
"Nein, Schisserheit." beharrte er.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihm den Unterschied zwischen `Schiss´ und `Sicher´ zu erklären. Dass ich dazu das Wort Scheiße in den Mund nehmen musste, ist nicht meine Schuld. Manche Dinge lassen sich eben nur von unten her erklären.) Jetzt aber zurück zum Thema.
Der `Untere Düden´ Wasserfall ist wahrscheinlich jedem Antalya Urlauber ein Begriff, wenn er, also männlich, nicht zu jenen gehört, die das Hotelgelände nur verlassen, um in der nächsten Apotheke den Vorrat an Erektionshilfemitteln aufzufrischen. Frauen fahren zur `Terra City´ um zu shoppen. Aber alle anderen werden irgendwan am `Düden´ Şelale landen. Am einfachsten, und billigsten, ist es mit dem Dolmusch. So habe auch ich ihn gleich bei meinem ersten Antalya Besuch erreicht.



Beeindruckend ist er schon, auch wenn manche Besucher in ihrem Urteil (im Internet gepostet) sehr negativ sind. Sie dachten wohl eher an die Niagara Falls als sie in den Omnibus stiegen. Selber Schuld, im selben Internet in dem sie nachher meckerten, hätten sie sich ja vorher schlau machen können.
Aber AliAli wollte gar nicht an den unteren Düden, auch nicht an den oberen. Zumindest nicht gleich. Wir fuhren Richtung Flughafen und dann weiter ins Landesinnere.
"Bisschen weit." sagte er. Ich hatte nichts dagegen, lehnte mich zurück und ließ die Landschaft an mir vorbeiziehen. So viel Türkei hatte ich vorher noch nicht gesehen, außer aus der Luft beim An- und Abflug, oder 1960, als ich in der US Navy war und unser Schiff Istanbul anlief. Damals waren wir für drei Tage dort und ich unternahm eine Fährefahrt zum Schwarzen Meer. Die Rückfahrt in einem total überfüllten Omnibus war ein richtiges Abenteuer ... Aber das ist eine andere Geschichte.
Durch einen Pinienwald mit schönen, alten Bäumen gelangten wir schließlich an unser erstes Ziel, die Kurşunlu Şelalesi. Şelale heißt Wasserfall und ich nehme an, dass das angehängte `si´ die Mehrzahl bedeutet, kann das aber nicht beschwören.
Es war früh im Jahr und auch noch früh am Tag, so dass wir die Parkplätze beinahe für uns alleine beanspruchen konnten. Das machte es beinahe so schwierig den `richtigen´ zu finden, wie es auf einem überfüllten Gelände gewesen wäre, überhaupt einen zu entdecken. Autofahrer sind seltsam unentschlossene Menschen, wenn es darum geht, sich für einen Parkplatz zu entscheiden. Das ist meine Meinung und ich bin kein Autofahrer, urteile also nur vom Beifahrersitz aus.
Wenn ich erwartet hätte, gleich neben einem rauschenden Wasserfall auszusteigen, wäre ich enttäuscht worden. Umso angenehmer war der weitläufige, gepflegte `Piknickwaldplatz´ der uns empfing. Der kühle Schatten war angenehm, weil die Sonne schon einiges an Hitze entwickelte. Ali bestand darauf den Eintritt zu bezahlen. "Du bist heute mein Gast." Einspruch wäre zwecklos und, ich denke, unhöflich gewesen.




Das Gebiet steht seit 1991 unter Naturschutz und ist gut erschlossen für Spaziergänge und kleine Wanderungen entlang dem in vielen flachen Katarakten bergab sprudelnden, glasklaren Wasser, in dem es von Forellen wimmelt und auf dem sich viele Enten wohl fühlen. Hier wir nicht geangelt oder gejagt. Es ist, zumindest wenn man das Glück hat wenige Besucher anzutreffen, ein Zauberwald, aus dessen Bann man sich nur ungern löst.








Ich denke, dass ich hier eine Pause mache, zum Durchatmen. Wir sind danach zum Oberen Düden Wasserfall gefahren. Das wird aber ein Kapitel für sich.

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