Dienstag, 21. Juli 2015

Wie es mir geht?


Eben habe ich gelesen, dass Monica Lierhaus in einem Interview sagte, dass sie, hätte sie gewusst was nach der Operation eines Aneurysmas auf sie zukomme, nämlich totale Behinderung, dann hätte sie sogar den Tod auf sich genommen, anstatt das Leben ganz von vorn wieder beginnen zu müssen. Für diese Äußerung wird sie von vielen Behinderten angegriffen. Sie habe Behinderten damit einen Bärendienst erwiesen und deren Lebenswert in Frage gestellt.
Darf ein Mensch seine Meinung äußern? Darf er/sie/es nicht, wenn sie "öffentlich bekannt" ist/sind? Darf ich meine Behinderung überhaupt thematisieren? Oder lieber nicht? Einfach so tun als wäre da nichts? Gehe ich damit meinem Umfeld auf die Nerven?
Es gibt Menschen die denken, dass Behinderte einfach "zu viel aus ihrer Behinderung machen", sich zu sehr damit beschäftigen, "das Ganze lockerer sehen müssten".
Das sind Menschen ohne Behinderung.
So habe ich früher auch gedacht.
Niemand ohne eigene Erfahrung mit einer Behinderung kann sich in die Psyche eines behinderten Menschen hineinversetzen, und wenn sie auch noch so sehr beteuern, "dass ich das verstehe". Mit einer Behinderung zu leben ist außerhalb des Verstandes eines Unbehinderten. Da hilft auch keine psychologische Schulung. Aber um das zu erkennen, muss man behindert sein. Jeder behinderte Mensch der damit leben muss, dass sein Umfeld die Behinderung erkennt, weiß dass er dafür "angesehen" wird. Ganz egal wie "tolerant" sich die Menschen geben, sie sehen die Behinderten mit anderen Augen an, als die Nichtbehinderten. Und diesen Blick "spürt" man als behinderter Mensch. Und mit diesem Spüren muss man leben. Das ist nicht einfach.
Ich habe ja "das Glück", dass meine Behinderungen nicht offensichtlich sind, es sei denn, dass man sich wundert, dass ich sogar Nachts eine Sonnenbrille trage und dass ich in Restaurants immer dunkle, dem "Publikum" abgewandte Plätze suche. Dass ich Licht nicht mehr ertrage liegt an einer verunglückten Augenoperation gegen Grauen Star, die völlig unnötig war! und einem Glaukomanfall, der verhindert werden gekonnt hätte, wäre das betroffene Auge rechtzeitig behandelt worden. Aber damit kann ich inzwischen leben, wenn auch eingeschränkt, es bleibt mir nichts anderes übrig.
Mein weitaus größeres Problem ist der essentielle Tremor für dessen effiziente Behandlung mit Medikamenten es keine Lösung gibt. Das bedeutet, dass ich nichts zum Mund führen kann, Tasse, Glas oder Besteck, ohne dass der Inhalt, das Getränk, das Essen, unweigerlich verschüttet oder verschleudert werden. Ich empfinde es als demütigend. Und wenn mir Andere beim Essen zusehen, (Kinder können das ja besonders "unauffällig.) dann steigert sich der Tremor bis hin zur Lähmung, denn nur in der Ruhighaltung der Hände ist er nicht aktiv.
Wie erlebt das mein Umfeld? Die Einen zeigen ganz offen auf mich und lachen. "Kuck Dir den Alki an." Andere sehen schnell weg, wenn ich mit ihnen Augenkontakt bekomme.
Und wie fühle ich mich dabei? Soll ich mich mehr und mehr selber ausgrenzen? Muss ich das nicht, wenn ich überhaupt noch überleben möchte?
Das einzig wirklich wirksame Mittel, das den Tremor stark reduziert, ist Alkohol. Das ist klinisch bewiesen. Aber eine "Lösung" ist das nicht. Danach ist er wieder da.
Ich trinke jetzt immer ein Viertel Wein zum Essen, so bekomme ich es wenigstens in den Mund und nicht nur auf das Tischtuch.
Es geht mir gut ...

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