Montag, 20. Juli 2015

Sommer in der Liebenau


Im Garten ist eine Haus aus Rittersporn erbaut, 
darin liegen Graskissen, von Sonnenstrahlen golddurchbrochen
und, einer venezianischen Glasschale gleich, zartzerbrechlich,
stülpt sich das Himmelsdach darüber.
(Im nahen Wald tickt ein Specht Staccatosekunden in die Stunde.)
Die Wände sind Zeit die sich ständig weitet:
Sommer
              Sonntag
                            Nachmittag
und führen mich auf eine duftende Spur ...

Schon im frühen April atmete der Regen den Fliederhauch,
ahnungsvoll, aus den Gärten am Hügel.
Kastanienblüten glühten auf und erloschen im Wind.
Vom Flieder noch ganz benommen, 
taumelten Bienen aus ihrem Haus und wieder zurück,
da schüttelten schon die Akazien ihre süßen Dolden aus.
Die schwirrenden Morgenlieder der Vögel 
wurden ins Delirium getrieben!
Und unter dem schmalen Junimond 
verströmte der falsche Jasmin den Duft,
den die Orchideenwelt der Regenwälder nicht erreichen kann.
Seine weißen Sterne schimmern noch am Strauch.
Aber im Hauch des Windes schwingt schon der Duft der Linde -
Was sich jetzt noch an Blüten öffnet,
zieht den Sommer, gigantisch und reif, in den Herbst.

Ich weiß nicht mehr
ob Fliederwehen,
Akazienbrandung,
duftender Jasmin,
der Lindenbaum,
das Bienensummen
oder Sonnenstrahlenbrechen
mich so ermüden,
dass alles verschmilzt:
Sommersonntagnachmittag -
Und über leisem Vogelsprechen
schlafe ich ein.

gelang 1964

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