Gesprochenes Schwäbisch ist nicht leicht zu verstehen, es sei denn, man fragt immer wieder: "Wie meinen?", woraufhin der Schwabe den schwäbischen Satz laut und deutlich wiederholt: "Sie send ein Sch°afseckel!"
"Normal" geschriebenes Schwäbisch zu lesen, ist für den Nichtschwaben beinahe unmöglich, wenn der Buchstabe "a, A" nur als solcher dasteht.
Das "a" ist eigentlich eine Dreifaltigkeit:
Das a, das â und das °a, wobei man sich das ° über dem a befindlich vorstellen muss. Das a bezeichne ich jetzt einmal als das "offene", oder auch Ur-a, das â als das "gedeckelte" und das °a als das "unentschiedene".
Ein Beispiel des offenen a: "Allmachtsbachl". Dieses Wort, es bedeutet so viel wie Hornochse, noch vergleichbar mit "Allerweltsrendviech", wird ausgesprochen wie geschrieben. Die Akustik ist quasi Hochdeutsch.
Das gedeckelte "â" ist mit dem offenen "a" am nächsten verwandt. Ausgesprochen wird es wie ein missglücktes "e". Wichtig ist der kleine phonetische Unterschied, wobei das â in der Regel wie ein Appendix herunterhängt, hauptsächlich bei dem Wort "Spätzlâ" (kein hochdeutsches Equivalent gefunden). Sagt man Spätzla, dann klingt das doof, sagt man Spätzle, meint man ein singuläres solches. Daran erkennt man sofort einen "Rei'gschmegdâ", (den von auswärts Seienden, der Landessprache nicht mächtigen). Übrigens ist das gedeckelte das im Schwäbischen am häufigsten vorkommende a. Allerdings steht es nie am Wortanfang und wird auch nicht stark betont.
Hier kommt das "°a" zum Einsatz. Es ist stark an das "o" angelehnt, klingt aber als habe man dieses angelutscht wie ein Karamellbonbon. Zum Beispiel "°abrennt" (angebrannt), oder "°Abend", "An guâdâ °Abend wensch i au eich älle mitânandr." In dem Wort "guâdâ" wird das "â" hinter dem "u" ein wenig verschluckt, als wäre "uâ" ein Buchstabe.
Das "o" ist ein Sonderfall im Schwäbischen. Meistens steht es für ein "u". (Ein gesprochenes "u" ist am Wortanfang unüblich, es sei denn es ist ein Hochdeutsches Wort wie "Urlaub"). Ich schlage deshalb vor, dass man auch hier zwischen einem gedeckelten, schwäbischen "ô", das meistens gedehnt ausgesprochen wird, und dem herkömmlichen, akustisch uneigenartigen "o" unterscheidet. Ein Beispiel für bei Arten wäre "Ônderhos" (Unterhose). "Obâra", z. B. (heißt "von oben herab"), im Gegensatz zu "ôbachâ" (ist ungebacken), wobei dieses Wort von Schwaben gern als Ausdruck des Überschwangs gebraucht wird: "Des isch j°a ôbachâ guât!" (Das ist ja fantastisch!) Es kann aber auch als negative Beschreibung des Geisteszustands einer Person gemeint sein: "Du bisch j°a ôbachâ bled!", also an Halbdackl.
Da fällt mir ein kleines Erlebnis ein, das ich vor einiger Zeit in der Straßenbahn hatte. Es war Rush hour, die Bahn proppenvoll, auch die Gänge verstopft. Mir gegenüber saß eine schon etwas ältere Mutter mit ihrer auch nicht mehr jungen, vom Down Syndrom gezeichneten Tochter. Die Beiden wollten am Marienplatz aussteigen. Das wollte auch der neben mir am Gang sitzende ältere, gehbehinderte Mann mit Spazierstock, der etwas früher aufstand und deshalb vor den beiden Frauen zum Ausgang drängte. Wie gesagt, die Bahn war voll, das Gedränge groß, der Mann langsam und ehe er bei der Tür ankam hatte sich diese schon wieder geschlossen und die Bahn war angefahren. Die Mutter war etwas frustriert und sagte zur Tochter: "Jetzt müssât mir halt wieder z'rück fahrâ." Worauf die Tochter, mit unverhohlenem Groll in Stimme und Mimik, antwortete: "Ônd ällâs wägâ dem Halbdackl d°a vornâ!"
Wenn es jetzt einem Nichtschwaben gelungen ist, diesen Satz zu verstehen und ins Hochdeutsche zu übersetzen, dann hat er das Vorhergehende aufmerksam gelesen und etwas gelernt!
Sollte es Fragen geben, ich bin hier immer erreichbar.
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