Donnerstag, 23. Juni 2016

Die Entschleunigung des Lebens





Gestern schoss ich ein Selfie (siehe weiter unten) in dem ich meinen Kopf leicht nach rückwärts wende, als wollte ich das Zurückliegende sehen. Heute machte ich eines mit dem Blick direkt in die Kamera und titelte es "Wieder ein Tag vorbei" (siehe oben).
Und jeden Tag bemerke ich, wie langsam ich geworden bin in meinen Bewegungen, dem Gehen und im Denken. Der Schlaganfall hat mein Leben mit einem scharfen Messer durchschnitten und ich stehe und lebe nun jenseits einer mir gesetzten Grenze, die ich zu durchbrechen versuche. Es erinnert mich an ein Bild das ich vor vielen, vielen Jahren malte, eine Art Hommage an Salvatore Dali, in dem der Bildgrund in der Mitte durchtrennt zu sein scheint und alle Bewegung in einer endlosen Zeitlupe verharrt. Ich ahnte nicht, dass ich einen Seelen- und Erlebniszustand meiner Zukunft aufzeichnete.


Am frustrierendsten ist für mich meine "Geh-Geschwindigkeit". Ich war immer ein sehr flotter Spaziergänger und schaffte 6 Kilometer in einer Stunde ohne außer Atem zu geraten. Bis zum Schlaganfall. Seither "schleppe" ich mich förmlich dahin. Ich bemerke wohl meine Langsamkeit und versuche dann sie zu unterdrücken, indem ich schneller zu gehen versuche. Aber ich merke immer, dass mir das nicht gelingt. Es ist, als hinge die Zeit wie Bleigewichte an meinen Füßen. Und meine Beine oberhalb der Knie, die sich wie wabbelige Gelatine anfühlen, sind kraftlose Teile einer Pflanze, die keine Wurzeln mehr hat. Ich bin entschleunigt und kann damit nicht glücklich werden.


























Ein wirklicher Lichtblick sind die Ergo- und Physiotherapien die mir der Arzt verschrieben hat und die zum Großteil von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden. Sie zeigen Wirkung. Jedes Mal ein kleines bisschen mehr Beweglichkeit, weniger Anstrengung, gesteigertes Wohlbefinden. Ich brauche mir das nicht einzureden, es ist wirklich spürbar. Meine ganze Dankbarkeit geht an die Therapeutinnen und den Therapeuten die sich auf meinen "zeitnahen" Zustand einlassend und dementsprechend tätig werden. Es läuft also nicht ein vorgegebenes Programm ab, sondern meine "Tagesform" wird behandelt. Als ich heute zum Physiotherapeuten scherzhaft sagte, er möge sich doch um meine mangelnde Bauchmuskulatur kümmern, wäre er sofort darauf eingegangen, wenn ich nicht gesagt hätte, dass das ein Witz war. Er sagte nur: "Dann kümmern wir uns später darum." Bauchmuskulatur zu entwickeln und/oder zu kräftigen ist sehr anstrengend und wurde bei mir, nach früheren Bemühungen bei Kieser Training, nicht von Erfolg gekrönt. Ich hoffe, dass der Therapeut meinen Scherz einfach vergisst. Obwohl ... sein Gedächtnis zeigt keine Anzeichen von Entschleunigung! ...
Und schon wieder ein Tag vorbei.



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