Wie inzwischen üblich, wartete ich auf den Sonnenuntergang, um das Haus ohne Sonnenbrille verlassen zu können. Sie verschwand gerade hinter Stuttgart West, als ich mich auf den Weg machte.
Nach Osten hin spiegelte sich das Licht in den Fenstern der Matthäuskirche, einem Neoromantischen Bauwerk aus den Jahren 1867 - 81, das eine Zeitlang, wie ein Bollwerk gegen die gewaltig anbrandende Autoflut, die Möhringer Straße in der Mitte durchschnitt. Jetzt steht sie so quasi auf einer Insel.
Der Marienplatz, inzwischen eine Betonwüste auf die die umstehenden Häuser herabschauen als würden sie sich irgendwo anders hin wünschen, lag unter einem rosigen Wolkenschleier, durch den der zunehmende Mond kaum mehr wahrnehmbar war.
Ein angenehmer Abend also, friedlich, dem Allerheiligen Tag angemessen. Ich ging die Tübinger Straße entlang in Richtung Innenstadt. Das Bild machte ich als ich zum Augenarzt ging, da konnte ich nicht auf die Dunkelheit warten.
Die Tristesse der Tübinger Straße fügt sich wie ein Kettenglied an den Anfang der Straßen und Plätze (siehe Marienplatz) die Stuttgart Süd zusammen halten. Die Stadtplanung versucht zwar diese, eigentlich noch der "City" zuzurechnende, Einöde aufzulockern, indem man neue, gigantische Einkaufszentren und bedrohlich wirkende Bürokomplexe aus dem Boden stampft, und das ist wörtlich zu verstehen. So entstand im Schatten der Paulinenbrücke "Das Gerber". Ist ja klar, man braucht Einkaufsmöglichkeiten, keine Wohnungen.
Dieser Konsum-Gigant befindet sich in Stuttgart Süd. Beinahe zeitgleich, am 9. Oktober, wurde in Stuttgart Nord das MILANEO eröffnet. Im Europaviertel! Dem Stadtbezirk, den es Dank Stuttgart 21 gibt. Dort wurde inzwischen, laut Milaneo, der 1. 000. 000, also der einmillionste! Besucher mit einem Einkaufsgutschein über 500€ beglückt. "O schöne, neue Welt ..."
Aber ich schweife wieder einmal ab.
Die Tübinger Straße mündet in die Eberhard Straße am Wilhelmsbau. Der Wilhelmsbau steht am Ende der Königstraße, DER Einkaufsstraße Stuttgarts, die am Hauptbahnhof beginnt. Siehe unten. In der Verlängerung schließt sich die Marienstraße an und dort trifft der Spaziergänger wieder auf das g
Konsum wohin man schaut. Wunderbar wie der Kapitalismus funktioniert. Menschen gibt es genug die konsumieren. Warum also daran etwas ändern? Die Politiker sagen sie wären vom Volk gewählt, aber das stimmt nicht. Sie sind von Individuen gewählt, von denen jeder Einzelne seine eigene Vorstellung in das einbringt, was er für Politik hält. Seine Bedürfnisse. Dafür eine Mehrheit zu bekommen ist Demokratie. Scheiß auf den Rest!
Als ich am Wilhelmsbau ankomme, mir ist da vermehrte Polizeipräsenz aufgefallen, höre ich von der Calwer Straße her (Dort wurde ganz aktuell eine neue "Einkaufszeile" eröffnet, nachdem die vorher dort ansäßigen Einzelhändler pleite gingen.) Sprechchöre, und dann merke ich, dass das was ich höre von der Fritz Elsaß Straße kommt und dass es eine Menschenmenge ist.
Nachdem ich ja aktiv an Demos gegen Stuttgart 21 teilgenommen habe, dachte ich, dass ich so etwas schon miterlebt habe. Aber ... nein, soviel Solidarität und spontanen Zulauf habe ich, leider, noch nie gesehen. Jetzt lasse ich Bilder sprechen.
Ich fragte einen der Ordner, wie viele das denn wären. Er zuckte die Schultern: "Keine Ahnung. Vielleicht 50.000. Ich weiß ja nicht, wie viele da hinten noch kommen."
Es waren dann nur, sogar von der Polizei!, geschätzte 10. 000! Die Obrigkeit hatte mit 500 gerechnet. Gibt es einen Trend zu "Menschen für Menschen"?
Wenn man die Bilder dieses Kapitels übereinander projeziert und dann die Berichte aus dem Fernsehen über die Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Erde hinzufügt und gleichzeitig betrachtet, dann ergibt sich wahrscheinlich die Aussage von Maya, einem skeptischen kleinen Mädchen, das die Dinge realistisch sieht: "Wohl eher nicht."
Nur Geld zählt und der Mensch der es hat.
Ich ging dann noch zum Bahnhof ... Geschichte hat nichts mit Liebe zu tun!


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